Mein Partner fuhr wie selbstverständlich alle Wege

Interview mit der ehemaligen Angsthäsin Alexandra Leitor

Vorbemerkung: Alexandra ist nicht nur ehemalige Angsthäsin. Sie schreibt inzwischen auch Romane. Von A. Leitors Romanen berichtet ein eigener Beitrag, hier auf der Webseite unter der Menü-Überschrift „kreative Angsthäsinnen“. An dieser Stelle veröffentliche ich ein Interview mit ihr. Es geht mir um ihre Fahr-Biografie als Angsthäsin. Diese ist ein bisschen typisch für junge Frauen. Nehmen sie auf ihre Art schon heute die künftige Mobilität vorweg?

F = Frank, Angsthasenfahrlehrer
A = Alexandra, ehemalige Angsthäsin

F: Du kamst mal zu mir wegen Angst vor dem Autofahren. Wie war Dir zumute?

A: Ich war schon immer ein bisschen ängstlich, was beim Autofahren im Verkehr alles passieren könnte. Mich selbst hielt ich nicht gerade fähig, im Verkehrsgewühl gut mit zu halten, irgendwelche Gefahren rechtzeitig zu bemerken. Der Gedanke an einen plötzlichen Unfall, jemand kommt zu Schaden – schlimm! Das ohne Vorwarnung, weil ich gar nichts richtig mit bekommen habe.

F: Wie waren Ausbildung und Fahrprüfung?

A: Ich fühlte mich bei der Ausbildung wohl. Die Prüfung habe ich gleich bestanden. Aber hinterher ging’s los. Mein Partner übernahm wie selbstverständlich alle Transportwege mit dem Auto. Auch bei unseren Urlaubsreisen lief es so. Das lag nicht nur an ihm. Ich hätte immer das Steuer übernehmen können. Im Gegenteil, er forderte mich sogar auf. Aber ich hatte einfach immer mehr Angst und daher auch keine Lust.

F: Woher kam die Ängstlichkeit?

A: Eigentlich habe ich als junge Mutter viel Verantwortung, bin auch ängstlich, dass nichts passiert. Andererseits bin ich es gewöhnt, mich jederzeit praktisch für die Kinder einzusetzen. Aber beim Autofahren, so mein Gefühl, gibt es viele Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, so dass mir die Kontrolle entgleitet. Dann könnte ein schrecklicher Unfall passieren.

F: Vor welchen Situationen hast Du am meisten Angst?

Angst vor dem Verkehrsgewühl der Großstadt

A: Wie gesagt, vor dem geballten Verkehrsgewühl, dem Durcheinander, dem irrationalen und aggressiven Verhalten vieler Verkehrsteilnehmer. Und vor meinen begrenzten Fähigkeiten, bei diesem täglichen Horror mithalten zu können. Das bezog sich vor allem auf den Großstadtverkehr in Berlin.

F: Wie ging es weiter?

Verantwortung für Kinder wiegt schwer

A: Als unsere Kinder kamen, wurde das Gefühl der großen Verantwortung und meiner begrenzten Fähigkeiten am Steuer immer heftiger.  Ich hätte mir niemals erlaubt, am Steuer eines Autos mit ihnen zusammen zu fahren. Wenn da etwas passiert wäre…

F: Du hast einige Jahre später bei mir Stunden gebucht. Was hat die Wende gebracht?

Mit den Öffentlichen und dem Fahrrad

A: Im Großstadtverkehr nutze ich konsequent die Öffentlichen und mein Fahrrad. Auch zur Arbeit fahre ich mit dem Fahrrad. Ich habe mir eine Strecke ausgetüftelt, die wenig mit den Autostraßen zu tun hat. Herrlich, gute Luft. Aber wir reisen gerne, dazu brauchen wir manchmal ein Auto, das viele Gepäck, außerdem ist man doch flexibel, wenn man mit den Kindern am Urlaubsort irgendwas besuchen will. Ich wollte auch meinen Partner ablösen. Stundenlang am Steuer ist nicht gut. Ihm war das nur recht.

F: Habt Ihr ein eigenes Auto?

Das eigene Auto wäre viel zu teuer

A: Nein, das wäre viel zu teuer. Entweder leihen wir es von den Großeltern. Oder über Carsharing oder irgendwelche Verleihfirmen. Da gibt es manchmal sehr günstige Angebote. Jedenfalls alles in allem sehr viel günstiger, als wenn wir ein eigenes Auto hätten, das doch meistens herum steht.

Betreuungsfahrten mit dem Angsthasenfahrlehrer

F: Wie fandest Du die Betreuungsfahrten zusammen mit mir?

A: Wir haben zu Anfang in einem ruhigen Gebiet sehr viel Autofahrroutinen geübt, schalten, rückwärts fahren, bremsen, oder den Verkehr über die Spiegel zu beobachten. Spannend und neu war für mich die Gefahrbremsung. Also  für eine gefährliche Situation zu üben, mit voller Kraft auf die Bremse zu hauen, gleichzeitig die Kupplung zu treten. Du hast mir beigebracht, sehr vorsichtig zu fahren, auch wenn Drängler hinter uns waren. Damit ich die Informationen besser mit bekam, was um uns los war. Das tat mir gut, die Angst vor Unfällen wurde kleiner.

F: Wie waren die Fahrten mit den Kindern?

A: Davor hatte ich großen Bammel. Ich wusste ja, das würde noch auf mich zukommen.

Mit Kindern fahren?

Die Kinder fuhren zuerst in einem ganz ruhigen Verkehrsgebiet mit, alles sehr übersichtlich und langsam. Da hätte eigentlich nichts passieren können. Die Kinder fanden es toll, ein Abenteuer. Mir war zuerst mulmig zumute, dann fand ich es sogar gut. Einmal haben sie auch Mist gemacht. Sie quengelten, das sei alles so langweilig. Dann begannen sie, aus ihren Kindersitzen heraus miteinander zu raufen. Wir mussten halt Pause machen.

Meine Angst wurde weniger. Wie gesagt, ich wollte vor allem lernen, vorsichtig zu fahren, trotz des vielen Drucks. Und ich wollte lernen, mit den Kindern noch vorsichtiger zu fahren, auch bei Dränglern. Das hat mein Selbstbewusstsein aufgebaut. Inzwischen lasse ich mich von Dränglern nicht mehr scheuchen. Das Drängeln und die Hektik ist ihr Ding, nicht meines.

Nicht in der Großstadt

F: Wir haben auch im Stadtverkehr geübt, und vor allem auf der Autobahn. Wie fährst Du jetzt?

A: Nicht so gern in Berlin. Am liebsten auf Straßen außerorts, und auf der Autobahn. Die Großstadt meide ich nach wie vor. Staus, Lärm, Abgasgestank, Durcheinander auf riesigen Kreuzungen, Unfallgefahren im schnellen Verkehr, nee, das ist nicht mein Ding. Wegen mir könnte man die Autos in der Innenstadt verbieten. Mit den Öffentlichen und mit meinem Fahrrad käme ich gut zurecht. Wir haben auch ein Lastenfahrrad, falls wir mal etwas transportieren müssen. Eigentlich denke ich sehr ökologisch.

F: Wir sind auch im Mietwagen gefahren, ich hinten. Wie fandest Du es?

A: Zuerst ohne Kinder. Dennoch sehr aufregend. Ich weiß nicht wie, aber ich habe mich so halb daran gewöhnt. Zu Anfang sind wir Strecken gefahren, die ich schon gut kannte. Zum Eingewöhnen. Das war gut.

F: Vielen Dank für das Interview, und viel Spaß im nächsten Urlaub. Wo soll’s denn hin gehen?

A: Vielleicht nach Polen.

F: Na, dann schönen Urlaub für Euch.

Erzgebirge, Blick auf Keilberg und Fichtelberg. Aus Wikipedia, Art. Erzgebirge, Bild freie Lizenz
Erzgebirge, Blick auf Keilberg und Fichtelberg. Aus Wikipedia, Art. „Erzgebirge“, Bild freie Lizenz

Ins Erzgebirge

Nachbemerkung: Mit dem Autofahren ist Alexandra inzwischen weiter gediehen. Der Urlaub ging allerdings nicht nach Polen, sondern ins Erzgebirge. Dort fuhr sie tatsächlich ein paar Kilometer, auf der Landstraße und im Urlaubsdorf.  Mit den Kindern hinten im Auto. Sie fand die Fahrt in Ordnung. Der Partner sitzt sonst immer noch am Steuer. Aber im Urlaub kann sie ihn ablösen, und die Kinder fahren hinten mit. Das war ihr wichtig.

 

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