„Autobahn fahren ohne Panik – seit 12 Jahren mein Ziel“ – Interview mit einer ehemaligen Angsthäsin

Zum Beitragsbild: Selbständiges Fahren auf der Autobahn. Überholen eines Lkw. Angst vor Panikattacken auf der Autobahn kontrolliert
Die Angsthäsin am Steuer (nicht diejenige im anschließenden Interview)  ist Selbständige, braucht das Auto dringend, um Kunden aufzusuchen. Sie möchte im Urlaub zusammen mit ihrer Freundin und mit dem alten VW-Bus durch Europa reisen. Früher fuhr sie gerne auf der Autobahn. Nach dem Überholen eines Lkw mit Anhänger, der beim Überholen ein bisschen „schlenkerte“, bekam sie es mit der Angst zu tun. Weitere Fahrten unter ängstlicher Selbstbeobachtung verstärkten Angst und Nervosität, bis zu Panikattacken auf der Autobahn, ohne weiteren Anlass. Sie leidet an Herzklopfen, atmet keuchend, ihr schwindelt, sie kann sich nicht mehr konzentrieren, fühlt sich ohne Kontrolle über das Geschehen, befürchtet einen Unfall. Seither hat sie Angst vor der Wiederkehr der Panikattacken, meidet die Autobahn konsequent.
Der Besuch einer Fahrschule brachte nichts, da der Fahrlehrer nicht auf ihre Ängste eingehen konnte.
Dann wurde sie auf die Angsthasenfahrschule aufmerksam. Sie hat alle Stufen des Programms zur Bewältigung ihrer Angst vor Panikattacken auf der Autobahn, hinter sich gebracht. Dazu gehört der Umgang mit den heftigen Symptomen und den Angstgedanken, die Selbstbeobachtung, um das Aufkommen von Panik rechtzeitig zu bemerken und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Jetzt fährt sie zum letzten Mal mit Begleitung durch den Angsthasenfahrlehrer. Dieser sitzt hinten rechts, kann nur noch mit beobachten, im Zweifel einen Rat geben. Nach dieser Fahrt wird sie allein weiter fahren.

Angstsituation im Bild: Das Überholen von Lkw, Angst vor einer Wiederkehr der Panikattacken. Die Angsthäsin hatte zu Beginn der Betreuung  Angst vor dem Überholen von Lkw, vor allem bei längeren Zügen mit Anhänger. Sie spürt sich hilflos, voller Todesangst, das Herz rast, im Kopf wirbeln schwere Gedanken an einen Unfall. Es ist die Angst, während des Überholens eine Panikattacke zu erleiden, nicht mehr rechtzeitig den rechten Streifen zu erreichen. Dazu kommt die ursprünglich auslösende Angst, nicht mehr auf Bewegungen des Lkw-Zuges richtig reagieren zu können, sondern in einen gefährlichen Unfall zu geraten. 
Ihre Maßnahmen zur Selbsthilfe: Sie mildert ihre Symptome. Sie spricht laut, über ihre Nervosität (hier in der Szene beträgt die Höhe ihrer Nervosität ungefähr 4, von max. 10), sie atmet durch das laute Sprechen ruhig, der Verstand bleibt präsent; sie schaut bewusst, sorgfältig, über alle Spiegel, nach vorne, weit und nah, achtet auf das Verkehrsgeschehen, vermeidet dadurch den Tunnelblick. Sie schaut beim Überholen lebhaft, gerade auch auf den Lkw, krampft nicht am Lenkrad, sondern lenkt spielerisch ein winziges Bisschen hin und her. Damit fühlt sie weiterhin die Kontrolle über das Geschehen. Sollte Muskelverkrampfung auftreten, beherrscht sie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Vor allem achtet sie auf Symptome schon im Vorfeld, damit sie diese noch rechtzeitig abfangen und sich Rettungsmaßnahmen überlegen kann. Über mögliche Rettungsmaßnahmen wird im Interview ausführlich gesprochen. In diesem Falle, weil hinter ihnen noch frei ist, könnte  sie sich zurück fallen lassen und wieder rechts einscheren, die nächste Ausfahrt oder einen Parkplatz ansteuern, sich dort erholen. Wir versuchen die blockierenden Angstgedanken: zu versachlichen: Ein Lkw-Zug kann schon mal ein bisschen „schlängeln“, das ist nicht weiter schlimm. Wir müssen halt genau beobachten, nicht verkrampft fahren, locker bleiben.
Später nach der Betreuung bekam ich von der (ehemaligen) Angsthäsin eine Ansichtskarte aus Spanien. 

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Angsthasentreffen, Gespräche. Geschichten der Betroffenen

„Wir verstehen Dich“ – „ich rate Dir“ 

Angsthasentreffen:
Die Geschichten der Betroffenen

Angsthasentreffen, Stuhlkreis (hier noch in der alten Fahrschule)
Angsthasentreffen. Auf Bitten der Teilnehmer/innen sind die Gesichter im Foto angegraut. Die Tische haben wir beiseite geräumt. Die Beteiligten sitzen im Stuhlkreis. So entsteht keine Lernatmosphäre, im Gegenteil, gegenseitige Zuwendung. Alle können ihre bedrückenden Geschichten besser mitteilen, sich austauschen, gegenseitig Verständnis zeigen, sich aufmuntern. Als Angsthasenfahrlehrer höre ich ruhig zu, notiere wichtige Punkte am Smartboard, gebe einen Rat aus meiner praktischen Erfahrung.

Die Betreuung beginnt mit einer Einladung an alle Angsthasen/ Angsthäsinnen zu einem gemeinsam Treffen. Dort stelle ich unser Programm vor. Vor allem kommen die Anwesenden zu Wort, erzählen ihre Geschichte. Alle fühlen sich endlich verstanden, erhalten Trost. Sie lernen aber auch voneinander und von mir, dem Angsthasenfahrlehrer, wie sich Angst bewältigen lässt. Das kann nur ein Anfang sein.

So beginnt und läuft der Prozess der Angstbewältigung:

  1. Die Betroffenen erzählen ihre Geschichte, fühlen sich mit ihrer Angst hinterm Steuer verstanden, und
  2. sie erhalten einen vernünftigen Rat, wie ihre Probleme gemeinsam gelöst werden können.
  3. Sie bekommen einen schriftlichen Überblick über die Organisation und den Ablauf der Betreuung. Wichtig ist das Ziel der Betreuung: Die Angst hinterm Steuer zu kontrollieren, wieder ruhig und sicher zu fahren. Die Angsthäsinnen formulieren dies auf ihre Art noch konkreter: Sie wollen im Stadtverkehr oder auf der Autobahn oder in der Prüfung ruhig und sicher fahren. 
  4. Einige verabreden schon an Ort und Stelle eine erste Betreuungsstunde. Die erste Betreuungsstunde verläuft ganz unterschiedlich, je nach Ausgangslage. Die anderen wollen noch in Ruhe zu Hause überlegen und sich eventuell dann wieder melden. Das ist alles ok. 

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